Im Friseursalon Matthießen – Akraat Handwark – in Rendsburg wurde ich mit einem Lächeln empfangen. Diese Freundlichkeit kam vom Friseurmeister Holger Matthießen und seinem neuen Auszubildenden Mahre Koore aus Syrien. Es scheint die Regel zu sein und ich merke, dass die Atmosphäre hier warmherzig ist.

Mahre Koore ist Kurde und lebt mit seiner Familie seit ca. 3 Jahren in Deutschland. „Vor dem Krieg in Syrien war es schwer, dort zu leben. Denn niemand sollte wissen, dass wir Kurden sind. Wir sind auch Jesiden und unsere Religion wurde dort nicht akzeptiert. Wir hatten Angst darüber zu reden. Wenn bekannt würde, dass man Kurde ist, hätte die Polizei einen Grund, uns vor unserem Arbeitgeber oder in der Schule zu unterdrücken und zu schikanieren. Wir mussten auch gut auf unsere Mädchen aufpassen, weil in Syrien viele Mädchen entführt und vergewaltigt werden. Zu Hause wurde Kurmanci gesprochen, doch auf der Straße sprachen wir arabisch, um nicht aufzufallen. Es ist ein schreckliches Gefühl, nicht sein zu dürfen, wer man ist, sondern sich das ganze Leben verstecken zu müssen.

Als mein Vater nach Deutschland kam, hatte er mit mir auf der Straße arabisch gesprochen. Er hatte geweint als ich ihm sagte, dass wir in der Öffentlichkeit Kurmanci sprechen könnten und dass es kein Problem gäbe. Er fragte: „Bist du sicher?“ Er war endlich frei! Mein Papa hatte begriffen, dass wir nicht mehr in Unterdrückung leben müssen. Von da an wurde Deutschland meine Heimat. Ich will nie wieder nach Syrien zurück. Es war nie mein Land. Keine Heimat. Ich habe mich nach einem Land wie Deutschland gesehnt. Deutschland ist mein Land. Das ist meine Heimat.“, erzählt Mahre.

Der 22jährige Mahre hatte die Flucht allein nach Europa gewagt. Acht Monate war er unterwegs. Er wollte nicht, dass seine Eltern und seine kleinen Geschwister auf dem Weg verunglückten. Er hatte viel Schlimmes gesehen. Einiges wird er nicht vergessen können. Mahre hatte ständig Angst um sein Leben. Türkische Grenzpolizisten hatten Kinder, Frauen und ältere Leute geschlagen. Männer und jüngere Leute konnten weglaufen. In Bulgarien war Mahre zwei Monate im Gefängnis. Die Gedanken waren immer bei der Familie, die er zurücklassen musste.

Nach ein paar Monaten in Deutschland, hatte der zukünftige Friseur den positiven Bescheid seines Asylverfahrens erhalten. Er dachte, er könnte dann seine Familie nach Deutschland holen. Seine Eltern und Geschwister. Doch als Volljähriger darf Mahre seine Familie nicht nachholen. Sie mussten selbst den gefährlichen Weg auf sich nehmen, und so kamen seine Eltern, zwei Brüder und fünf Schwestern nach Deutschland. Sie sind alle in Sicherheit und können sich eine Zukunft aufbauen. In Deutschland angekommen, war es für Mahre an der Zeit, sich um seine Zukunft zu sorgen. Mahre hatte sein Ziel vor Augen. Er möchte einen Beruf erlernen.

Seit Anfang August absolviert Mahre eine Friseurlehre bei Holger. Zuvor hatte er einen Monat Praktikum absolviert. Die Stelle hat er mit der Unterstützung von Umwelt Technik Soziales Arbeitsmarktservice für Flüchtlinge gefunden. „Ich bin sehr froh, meine Ausbildung in diesem Friseursalon zu machen. Holger und sein Team sind sehr hilfsbereit und freundlich. Ich fühle mich wahrgenommen und dazugehörig. Meine Ausbildung dauert 3 Jahre. Danach möchte ich meinen Meisterbrief machen.“

Seit 1991 bildet Holger Matthießen Lehrlinge in seinem Salon aus. Jedes Jahr stellt er zwei neue Auszubildende ein. Nachdem die Kandidaten ein Praktikum bei ihm machen, entscheidet sich, wer einen Ausbildungsplatz bekommt. „Wir prüfen während des Praktikums, ob geeignete Fähigkeiten zum Erlernen des Friseurberufs vorliegen und ob menschlich alles passt. Wir hatten schon Auszubildende aus Russland, der Türkei, Afghanistan und Polen und es war immer eine gute Erfahrung. Über Rony (Mahre), kann ich sagen, dass er ein sehr freundlicher, aufmerksamer junger Mann ist. Ich finde, dass jeder Mensch eine Chance verdient und es egal ist, aus welchem Land er stammt und welche Sprache er spricht. Jeder sollte eine Chance bekommen zu beweisen, dass er das Handwerk erlernen kann und ob er zu uns passt. Man kann nicht im Vorwege sagen, ob es geht oder nicht.“

Im Friseursalon Matthießen wird man in den Sprachen deutsch, plattdeutsch, polnisch, kurmanci, arabisch und türkisch bedient. Super Holger, großes Vorbild, weiter so!

Nazar Mohammad Onywal

Das Netzwerk Mehr Land in Sicht – Arbeit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein unterstützt Geflüchtete nicht nur bei der Arbeits- und Ausbildungssuche, wir arbeiten auch mit Ehrenamtlichen, die Unterstützung geben möchten zusammen. Möchten Sie sich engagieren? Melden Sie sich gern bei uns.

 

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